Willkommen bei den Nordlandfahrern
  Irland
 

 

Irland- Wer die Insel kennt, wird vielleicht ebenso wie ich der Meinung sein, dass sie eine Reise wert ist. Dass sie wunderschön ist, wurde schon in vielen tollen Reisereportagen beschrieben. Deshalb will ich hier keinen umfassenden Landschaftsbericht abliefern, sondern vielmehr unsere damalige Scheu davor beschreiben, mit dem Motorrad in ein Land zu reisen, wo einem der Verkehr plötzlich auf der falschen Seite entgegenkommt und das Wetter immer schlecht ist. Zumindest dachten wir das...
 
Irland - Go West
Text von Rena Schaller
 
 
„Pling, pling", klopfen die Regentropfen ans kleine Fenster der Kneipe. „Pling pling". Eintöniges, ungeliebtes Geräusch. Wir befinden uns in einem „Irish Pub". Wir mussten unseren Altstadtbummel abbrechen und flüchteten hinein in die gute Stube, um den Regen auszusitzen. Das „Murphy's Irish Stout" läuft hier in Strömen. Der Regen draußen macht es dem süffigen schwarzen Bier nach. Dumm nur, dass wir uns hier in einer der klimatisch begünstigten Städte Frankreichs, in Colmar, aufhalten. Regen, den hätten wir eher in Irland vermutet. Dort wurden wir angenehm enttäuscht. Dass es nun ausgerechnet hier im sommerlichen Frankreich regnet, ist wohl ausgleichende Gerechtigkeit.
 
Irland. Nach anfänglicher Skepsis hatte uns diese Insel völlig in ihren Bann gezogen. Angefangen beim Linksverkehr, der nach einiger Eingewöhnung sogar Spaß machte, über das Wetter, das wesentlich besser war als sein Ruf, bis zu den freundlichen Menschen, die uns unterwegs, ob Schulkinder oder LKW-Fahrer, stets freundlich zuwinkten. Nicht zu vergessen die urigen Pubs, die uns einige angenehme Stunden bescherten, und die problemlose Unterbringung in den B & B's mit ihren charmanten Vermieterinnen. Erst recht die abwechslungsreiche Landschaft, die zwar bis auf wenige Ausnahmen keine Höhepunkte aufzuweisen hat, aber alles in allem doch etwas Besonderes darstellt, unterstützt von der Lässigkeit des irischen Straßenverkehrs, die uns das alles zwanglos genießen ließ.
 
"Pling pling, pling". Die Regentropfen trommeln energischer an die Scheibe, reißen mich aus meinen Gedanken. Wehmütig streifen meine Blicke über die geschmackvolle Inneneinrichtung des Pubs. Kaum etwas erinnert hier daran, dass wir uns nicht in Irland, sondern in Frankreich befinden. Außer eines: Die Menschen. Ich sehe hier fast nur Touristen und vermisse die wettergegerbten, jederzeit freundlichen Gesichter der irischen Bauern und Arbeiter, die nach getanem Tagwerk oder sonntags nach der Kirche in die Pubs strömten, um ihre stets trockenen Kehlen zu befeuchten und anschließend manchmal ein Lied anstimmten. „Slontje", prosteten sie uns oftmals zu. Viele Iren sprechen noch ihre alte, keltische Sprache, das heutige Gälisch oder Irisch. Ich verstehe nicht viel davon. „Céad mile fáil'te!" jedoch verstehe ich. Auf vielen Schildern an den Straßen oder an Hauswänden war der Satz zu lesen. „Tausendfach willkommen!" bedeutet er und gibt Zeugnis von der Offenheit und Herzlichkeit der Iren.
 
Wie lange haben wir uns von Skeptikern am Stammtisch abhalten lassen, das Land zu bereisen. Das Wetter sei dort immer schlecht, hieß es, und den Linksverkehr, so prophezeite man uns, den würden wir nicht überleben. Jahrelang haben wir es geglaubt, doch wie sehr haben wir uns getäuscht. 
 

 
Das gute Wetter war uns schon bei der Anreise hold. Die 900 km bis an den Hafen von Calais und noch ein Stück durch England waren so eine recht angenehme Sache. Ein interessantes Erlebnis war das Bodeneffekt-Fluggerät, das uns in 30 Minuten über den Kanal hinüber nach Dover brachte. Mit über 80 km/h schoss es über die erstaunlich ruhige, braungrüne See, fabrizierte dabei einen Höllenlärm und vibrierte fürchterlich. Wir sind froh, dass wir das noch erleben durften, denn mittlerweile sind die Hovercrafts aufs Altenteil geschickt worden. Kaum hatten wir englischen Boden berührt, wurde es ernst: Der Linksverkehr. Vorsichtig tasteten wir uns hinter einheimischen Autos durch die Kreisel. Zum Glück ging es bald auf die Autobahn, wo wir mit knapp 80 Sachen hinter einem Reisebus herschlichen. Wir trauten uns nicht zu überholen, es war alles so komisch, überhaupt fuhren die hier alle „falsch". Nach einiger Zeit wurde es uns zu bunt, so kamen wir ja nie voran, zudem hatten wir uns bald daran gewöhnt, dass die schnelleren Autos auf der rechten Seite an uns vorbeischossen. Also Schulterblick nach rechts und Blinker gesetzt. Es funktionierte, und mit jedem Kilometer steigerten wir das Tempo. Aber was für ein Verkehr! Auf der Londoner Süd-Umgehung war die Hölle los, und die Strecke zog sich. Scheinbar war heute alles auf den Rädern, um das gute Wetter auszunutzen, und die Zeitung am nächsten Tag berichtet dann auch: „Holiday sun sends Britain to the beach". Die ungewohnte Wärme von 22°C Anfang Mai war den englischen Reportern eine ganze halbe Seite wert.


 
Uns brachte der nächste Tag auf die Fähre. Die vierstündige Überfahrt von Pembroke Dock nach Rosslare bescherte uns einen Sonnenbrand, wer hätte das gedacht. Die Motorräder reisten auf der Fähre kostenlos! Dann wieder der Linksverkehr, diesmal auf der Landstraße und ohne eine schützende Leitplanke in der Mitte. Anfangs bremsten wir noch erschrocken, wenn uns rechts etwas entgegenkam, aber das gab sich bald. Endlich schickten wir uns an, die grüne Insel zu erkunden. Sie empfing uns mit tief stehender Sonne, Palmen und jede Menge Pubs.
 



Der Linksverkehr war am dritten Tag bereits kein Thema mehr. Im Gegenteil, es machte uns sehr viel Spaß, auf der „falschen" Seite durch die geschwungenen Kurven der Wicklow Mountains zu pfeilen. Nur das Abbiegen stiftete manchmal noch ein wenig Verwirrung.
 



Herrlich naturbelassen und ursprünglich erschien uns die Landschaft. Waren es die zwinkernden Augen einer Elfe oder Fee gewesen, die mich da eben hinter einem der grauen Karst-Felsbrocken angestarrt hatten? Unwillkürlich nahm ich das Gas etwas zurück. Vielleicht war es doch nur ein Fuchs gewesen, aber die sagenhafte Landschaft ließ schnell die Gedanken an die märchenhaften Ureinwohner Irlands aufkommen. Nach einem kurzen Regenschauer stieß die Sonne wieder hervor und tauchte die hügeligen Wiesen in ein gleißendes Licht. Die Sonnenstrahlen brachen sich an Millionen von Wassertropfen, die sich an den Grashalmen gesammelt hatten. Die Wälder dampften. Dieses legendäre, intensive irische Grün, das gab es dort wirklich.
 



In dem Pub in Colmar lassen wir die wunderschönen Tage auf der Insel noch einmal Revue passieren. „Noch ein Murphy's?", fragt mich der Wirt. Ich nicke und seufze. In Irland hat das schwarze Bier irgendwie besser geschmeckt. Slontje!

 
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So war das damals, bei unserem ersten Besuch. Mittlerweile ist uns der Linksverkehr fast in Fleisch und Blut übergegangen, und wir müssen bei der Rückkehr auf den Kontinent aufpassen, dass wir nach dem Ausschiffen aus der Fähre nicht auf der linken Straßenseite losfahren. Man gewöhnt sich an alles, sogar an den Regen. Er gehört zu Irland wie der Whiskey und das schwarze Bier. Prost!
 
 
 
 
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